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Ausgabe: Juni 2024 |
Vorzeitiger Erbausgleich – Arglistige Täuschung |
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Ein Mann hatte zwei eheliche Kinder sowie eine Tochter aus einer vorehelichen Beziehung. Mit Letzterer schloss er im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zum vorzeitigen Erbausgleich im Jahr 1982 einen Vergleich, in dem er sich zur Zahlung von 8.000,00 DM verpflichtete (und Rechtsfolge: Ausscheiden aus gesetzlicher Erbfolge). Als der Mann im Jahr 2022 verstarb, ohne ein Testament zu hinterlassen, beantragte eines der beiden leiblichen Kinder beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, wonach die beiden leiblichen Kinder Erben je zur Hälfte geworden sind. Die nichteheliche Tochter hingegen beantragte die Erteilung eines Erbscheins, wonach der Erblasser von allen drei Kindern zu je 1/3 beerbt wurde. Sie macht geltend, der gerichtliche Vergleich von 1982 sei nichtig und beruft sich auf die mit Schreiben vom 31.05.2023 gegenüber den ehelichen Kindern des Erblassers erklärte Anfechtung des Vergleichs vom 29.04.1982 wegen arglistiger Täuschung. Der Erblasser habe sie bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs über seine tatsächlichen Einkünfte und seine Vermögenslage getäuscht und eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben.
Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der nichtehelichen Tochter zurück, wogegen sich diese mit einer Beschwerde wehrte.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe stimmte jedoch der Auffassung des Nachlassgerichts zu. Der gerichtlich protokollierte Vergleich von 1982 sei eine Vereinbarung über den vorzeitigen Erbausgleich. Er sei formell und materiell-rechtlich wirksam.
Die von der nichtehelichen Tochter gegenüber den ehelichen Kindern des Erblassers erklärte Anfechtung des Vergleichs wegen arglistiger Täuschung sei ausgeschlossen und habe nicht zu dessen rückwirkender Nichtigkeit geführt. Die maßgebliche Anfechtungsfrist sei am 31.12.2011 abgelaufen. Die Anfechtung sei (erst) am 31.05.2023 erklärt worden und daher verfristet.
Der Vergleich sei auch nicht wegen Arglist oder Verstoß gegen die guten Sitten nichtig. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sei ein Rechtsgeschäft nichtig, das gegen die guten Sitten verstoße. Das sei der Fall, wenn das Rechtsgeschäft im Zeitpunkt seiner Vornahme bzw. des Vertragsschlusses nach seinem Inhalt oder seinem Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoße. Der im Vergleich von 1982 vereinbarte Zahlbetrag von 8.000 DM orientiere sich am gesetzlichen Maßstab, wonach sich der Ausgleichsbetrag auf das Dreifache des Unterhalts beläuft, den der Vater dem Kind im Durchschnitt der letzten fünf Jahre, in denen es voll unterhaltsbedürftig war, jährlich zu leisten hatte. Der Ausgleichsanspruch des nichtehelichen Kindes bemesse sich dabei grundsätzlich nicht nach den aktuellen Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Erblassers zum Zeitpunkt der Vereinbarung. Bemessungsgrundlage sei vielmehr der Unterhalt, den der Vater dem nichtehelichen Kind in den letzten fünf Jahren der Unterhaltsbedürftigkeit zu leisten hatte.
Im Übrigen gebe es keine greifbaren Anhaltspunkte für die Behauptung der nichtehelichen Tochter, der Erblasser habe sie bei Abschluss der Vereinbarung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse getäuscht. Ohne Erfolg wende sie ein, es sei rechtsmissbräuchlich und ein Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn sich die ehelichen Kinder des Erblassers auf die Rechtsfolgen des Vergleichs von 1982 berufen, wonach sie weder gesetzliche Erbin noch Pflichtteilsberechtigte nach dem Erblasser sei. Vielmehr hätten die Ehelichen Kinder des Erblassers auf die Rechtsgültigkeit des Vergleichs vertrauen dürfen. Der Erblasser und die nichteheliche Tochter hatten diese Vereinbarung auch nie aufgehoben. Eine letztwillige Verfügung, mit welcher der Erblasser die uneheliche Tochter bedacht habe oder mit welcher der Erblasser sonst zum Ausdruck gebracht hätte, dass er an der mit dem Vergleich geschaffenen Erbrechtslage nicht mehr festhalten will, liege ebenfalls nicht vor. |
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