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Ausgabe: Mai 2023 |
Pflichtteil und Pflichtteilsstrafklausel |
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Eine vollständige „Enterbung“ lässt das Gesetz nur in wenigen Ausnahmefällen zu. Der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass zumindest eine Mindestbeteiligung in der Regel bestehen muss – der sog. Pflichtteil. Hierbei wird der Berechtigte zwar nicht Erbe, hat jedoch einen Zahlungsanspruch gegen die Erben. In Testamenten von Eheleuten mit Kindern findet sich oft eine sog. Pflichtteilsstrafklausel, die die Kinder davon abhalten soll, nach dem Tod des ersten Ehegatten vom Überlebenden den Pflichtteil einzufordern. Hierbei ist genau auf die Formulierung zu achten, um spätere Unklarheiten der Rechtsfolgen zu vermeiden.
Dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main lag ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, der eine solche Pflichtteilsstrafklausel beinhaltete. Ein Ehepaar hatte ein Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zum Alleinerben der Erstversterbenden einsetzten. Nach dem Tod des überlebenden Partners sollten die drei Kinder zu gleichen Teilen Erben sein. Ausgenommen sollte aber das Kind sein, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat. Nach dem Tod des länger lebenden Ehepartners beantragte Kind 1 einen Erbschein, der Kind 1 und Kind 2 als Erbinnen je zu 1/2 ausweist. Hierfür wurde sich auf das Testament gestützt und die Auffassung vertreten, dass Kind 3 wegen Geltendmachung eines Pflichtteils nach dem Versterben des ersten Ehegatten nicht Erbe geworden sei. Dem trat das Kind 3 entgegen und beantragte einen Erbschein, der alle drei Kinder zu gleichen Teilen als Erbschein ausweist. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Pflichtteilsstrafklausel nicht verwirklicht worden und Kind 3 daher Miterbe geworden sei. Zwar habe Kind 3 nach dem Tod des Vaters gegenüber der Erblasserin erklärt, den Pflichtteil geltend machen zu wollen und Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangt. Es wurde sodann jedoch darauf verzichtet, weitere Auskunfts- und Zahlungsansprüche zu verfolgen. Zahlungen seien nicht erfolgt, insbesondere habe Kind 3 keinen Pflichtteil erhalten.
Das Nachlassgericht hat die zur Erteilung des von Kind 3 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Erbscheinsantrag der Kinder 1 und 2 zurückgewiesen. Hiergegen legten die Kinder 1 und 2 Beschwerde ein.
Das OLG Frankfurt/Main folgte der Ansicht des Nachlassgerichts. Zu Recht habe das Nachlassgericht die für die Erteilung des von Kind 3 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und sei davon ausgegangen, dass die Kinder 1 bis 3 Erben zu jeweils 1/3 geworden seien. Nach der maßgeblichen Klausel im Testament der Ehegatten sollte dasjenige Kind von der Schlusserbschaft ausgenommen sein, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten habe. Von der üblicherweise verwandten Pflichtteilsklausel weiche die gewählte Formulierung insofern ab, als sie sowohl an das Verlangen des Pflichtteils anknüpfe als auch an dessen Erhalt. Damit sei Voraussetzung für das Auslösen der Sanktionswirkung nicht nur die Geltendmachung des Pflichtteils gegenüber dem überlebenden Ehegatten, sondern zusätzlich auch ein Mittelabfluss vom Nachlassvermögen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Denn jedenfalls habe die Kind 3 keinen Pflichtteil und auch sonst nichts aus dem Nachlassvermögen erhalten. Ungeachtet der Frage, ob der Nachlass zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten überschuldet war, vermag ein ins Leere gehender bzw. wertloser Pflichtteil – der zumal nach der Auskunftserteilung nicht weiterverfolgt worden sei – nicht die Sanktionswirkung der testamentarischen Pflichtteilsklausel auszulösen. Indem die Sanktion der Pflichtteilsklausel an das zusätzliche Erfordernis des „Erhaltens“ geknüpft worden sei, machten die Eheleute deutlich, dass es ihnen um das Zusammenhalten des Nachlassvermögens, dessen Werthaltigkeit und den Schutz des überlebenden Ehegatten vor Mittelabflüssen ging. Wenn aber Kind 3 nichts aus dem Nachlass erhalten habe, dann wurde dieser nicht durch Mittelabflüsse an Kind 3 geschmälert. Insoweit bestünde auch kein Grund für eine Sanktionierung. Mangels Anwendbarkeit der Pflichtteilsstrafklausel sei Kind 3 daher nicht vom Erbe ausgeschlossen, so dass alle drei Kinder Erben zu gleichen Teilen geworden seien. |
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