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Ausgabe: Juli 2022 |
Lenkende Ausschlagung |
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Nicht selten kommt es vor, dass ein Erbe absichtlich auf seine Beteiligung am Nachlass verzichtet und die Ausschlagung erklärt, damit eine andere Person an seiner Stelle zum Zuge kommt. Hier bedarf es jedoch einer genauen Prüfung der Folgen der Ausschlagung, damit nicht ein ganz anderes als das gewünschte Ergebnis erzielt wird.
Dies zeigt auch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm. Ein Mann war verstorben und wurde mangels Testaments aufgrund gesetzlicher Erbfolge von seiner Witwe und den Kindern beerbt. Alle Abkömmlinge des Erblassers haben die Erbschaft ausgeschlagen. Die Witwe beantragte daraufhin einen Erbschein, durch den sie als Alleinerbin aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausgewiesen werden sollte. Das Nachlassgericht wies darauf hin, dass die die Witwe nur dann Alleinerbin sei, wenn weder Erben der ersten oder zweiten Ordnung und auch keine Großeltern zur Zeit des Erbfalls vorhanden gewesen seien und forderte die entsprechende Ergänzung des Erbscheinantrages. Einer der Kinder des Erblassers erklärte daraufhin die Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung wegen Irrtums. Zur Begründung führte er an, er und seine Geschwister hätten die Erbschaft ausgeschlagen, weil sie davon ausgingen, dass somit ihre Mutter Alleinerbin sei und somit auch als Alleineigentümerin der Eigentumswohnung eingetragen werde. Nunmehr erhielt er Kenntnis darüber, dass durch die Ausschlagungserklärung sämtlicher Kinder des Vaters dessen Halbgeschwister, zu denen keinerlei Kontakt bestand, erben würden. Den daraufhin von der Witwe abgeänderten Erbscheinsantrag, wonach sie und das, die Anfechtung erklärende, Kind Erben je zur Hälfte geworden seien, wies das Amtsgericht zurück. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Irrtum darüber, welcher Person das ausgeschlagene Erbe anfalle, ein unbeachtlicher Motivirrtum sei. Hiergegen wandte sich die Witwe mit einer Beschwerde.
Das Beschwerdegericht gab dem Nachlassgericht Recht. Der Erbscheinsantrag sei nur dann begründet, wenn das anfechtende Kind neben der Mutter zur Erbfolge gelangt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, da es die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe. Die Wirkung der Ausschlagung sei durch seine Anfechtungserklärung nicht beseitigt worden. Die Anfechtung sei unwirksam, da sich ein rechtlich beachtlicher Anfechtungsgrund nicht feststellen lasse. Es sei zwar offensichtlich, dass sich das anfechtende Sohn bei seiner Ausschlagungserklärung in einem Rechtsirrtum befand. Jedoch stelle nicht jeder Rechtsfolgenirrtum einen relevanten Erklärungsirrtum dar. Ein derartiger Irrtum berechtige vielmehr nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeuge. Dagegen sei der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum.
Es trat also bei diesem Fall gerade nicht das gewünschte Ergebnis ein. Diese Entscheidung zeigt, dass eine genaue Betrachtung der Erbfolge bei einer lenkenden Ausschlagung von großer Bedeutung ist.
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