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Ausgabe: September 2024

 

Erbschein – Gerichtszuständigkeit bei Auslandsbezug
Aufgrund der oft niedrigen Renten und hohen Pflegekosten in Deutschland, kommt es immer häufiger vor, dass die älteren Mitmenschen ihren Lebensabend im Ausland (z.B. Polen) verbringen, weil dort die Kosten wesentlich geringer und damit bezahlbar sind. Doch welches Gericht ist für die Erteilung des Erbscheins nach dem Tod eines im Ausland verstorbenen Erblassers zuständig? Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hatte sich kürzlich mit einer interessanten Fallkonstellation zu befassen.
Der Erblasser, ein deutscher Staatsangehöriger, verstarb 2023 in einem Pflegeheim in Polen. Zuvor lebte er mit seiner Ehefrau in Deutschland. Im Mai 2022 entwickelte er eine zunehmende Demenz, die ihn pflegebedürftig machte. Nach anfänglicher Unterbringung in deutschen Pflegeheimen, wurde er in einem polnischen Pflegeheim versorgt. Sein gesamtes Vermögen befand sich jedoch in Deutschland. Er sprach kein Polnisch und hatte ausschließlich familiäre sowie soziale Verbindungen nach Deutschland. Die Unterbringung in Polen erfolgte gegen bzw. ohne seinen Willen durch seine Ehefrau. Nach seinem Tod stellte die Ehefrau einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins beim Amtsgericht Singen hier in Deutschland. Dieses wies den Antrag mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Gegen diesen Beschluss legte die Ehefrau Beschwerde ein.
Das OLG Karlsruhe sah die Sache anders und hob den Beschluss des Amtsgerichts auf. Die deutsche Gerichtsbarkeit sei hier international zuständig, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts seien sowohl objektive als auch subjektive Kriterien zu berücksichtigen, wie die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts, Umstände und Gründe für die Präsenz im betreffenden Staat, der Wille des Erblassers, familiäre und soziale Bindungen, die Belegenheit der wesentlichen Vermögensgegenstände sowie Sprachkenntnisse. Bei pflegebedürftigen Personen in ausländischen Pflegeheimen komme es auch auf deren Bleibewillen an. Wenn die Unterbringung gegen oder ohne den Willen erfolge, fehle es am erforderlichen Bleibewillen für die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts.
Der Erblasser habe vorliegend seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in Deutschland gehabt, weil er gegen oder ohne seinen Willen in Polen untergebracht worden sei. Die Unterbringung sei nur aus finanziellen Gründen erfolgt, nicht jedoch um einen neuen Lebensmittelpunkt zu begründen. Darüber hinaus sei er deutscher Staatsangehöriger gewesen und sein gesamtes Vermögen läge in Deutschland. Er habe kein Polnisch gesprochen und keine sozialen Bindungen in Polen gehabt. Das Amtsgericht Singen sei örtlich zuständig, da der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in dessen Bezirk lag.
Diese Entscheidung zeigt, wie kompliziert die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts in grenzüberschreitenden Erbfällen sein kann.
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