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Ausgabe: August 2023 |
Kindeswohlgefährdung bei unzureichender medizinischer Behandlung |
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In seiner Entscheidung vom 22.12.2022 hatte das Oberlandesgericht (OLG) Köln (Az 14 UF 180/22) über eine Kindeswohlgefährdung zu entscheiden.
Im zugrunde liegenden Fall lebte das Kind im Haushalt des Kindesvaters und litt seit seinem achten Lebensjahr an Diabetes Mellitus Typ 1.
Das Jugendamt hatte, nachdem es wiederholt zu medizinischen Fehlversorgungen des Kindes gekommen war und das Kind auch stationär behandelt werden musste, angeregt, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten. Aufgrund der hohen Konfliktbelastung der elterlichen Beziehung und der Diabetes-Erkrankung des Kindes, die nicht ausreichend behandelt werde, bestehe der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung, so das Jugendamt.
Der Vater hatte im erstinstanzlichen Verfahren erklärt, Schulungen auch der das Kind mitbetreuenden Großeltern sicherzustellen und regelmäßige Termine in der Diabetes Station wahrzunehmen.
Tatsächlich ist dies jedoch nicht eingehalten worden.
Die das Kind behandelnde Diabetologin, berichtete, dass das Diabetes-Management unzuverlässig und chaotisch sei, seitdem das Kind beim Vater lebe. Der eingesetzte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die weitestgehende Übertragung der Verantwortung hinsichtlich der Behandlung des Diabetes auf das Kind und die mangelnde stationäre Aufnahme dieser in eine spezielle psychosomatische Klinik für Kinder und Jugendliche mit Diabetes eine Kindeswohlgefährdung begründe. Weiter teilte das Kind mit, dass es sich um den Diabetes allein kümmere und die Werte nicht mit dem Vater besprechen würde.
Das erstinstanzliche Gericht hatte den Eltern die Teilbereiche Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht, soweit es mit der medizinischen Versorgung sowie dem Aufenthalt und der Verbringung des Kindes in eine Klinik im Zusammenhang steht, entzogen.
Das OLG bestätigte diese Entscheidung.
Es führte aus, dass es zur Vermeidung einer akuten Gesundheitsgefährdung des Kindes der Sicherstellung bestimmter Vorgaben bedürfe, wie etwa die Einhaltung von Essabständen, der Messung des Blutzuckers vor den Mahlzeiten, aber auch der besonderen Abwägung zur Zulässigkeit sportlicher Aktivitäten sowie der Beachtung der Wechselwirkung zwischen körpereigenen Hormonen und der Wirksamkeit von Insulin.
Zwar habe das Kind selbst das erforderliche Wissen für eine angemessene Behandlung des Diabetes, doch fehle es ihm an einer täglichen Routine und der Vater sei täglich mindestens 11 Stunden berufsbedingt abwesend.
Auch wenn das Kind große Bereiche des täglichen Managements allein bewältigen könne, bedürfe es gleichwohl der Unterstützung bei der Organisation von Rezepten, Medikamenten und Hilfsmitteln. Ebenso fehle es an einem geregelten Tagesablauf mit der Einnahme geregelter Mahlzeiten. Diese nehme das Kind teilweise bei der Großmutter ein, die keine Kenntnisse zu Diabetes habe.
Der Kindeswohlgefährdung könne nur durch den Entzug der Teilbereiche Gesundheit und Aufenthaltsbestimmungsrecht – mit Blick auf die Diabetes-Erkrankung – begegnet werden. Ein milderes Mittel sah das Gericht nicht.
Die Verweigerungshaltung von Eltern bzw. eines Elternteils hinsichtlich gravierender gesundheitlicher Risiken kann daher bereits den (Teil-)Entzug der elterlichen Sorge rechtfertigen.
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