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Ausgabe: Januar 2025

 

Benennung des Nacherben im Testament und Bindungswirkung
Eine saubere Formulierung im Testament schafft Klarheit und vermeidet Streitigkeiten. Dass es dabei auf Feinheiten und die richtige Verwendung von juristischen Fachbegriffen ankommt, zeigt der nachfolgend geschilderte Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe.
Ein Ehepaar errichtete ein Gemeinschaftliches Testament. Darin setzten sich die Eheleute gegenseitig zu befreiten Vorerben ein. Weiter hieß es in dem Testament: „Nacherben auf das Erbe des Letztverstorbenen sollen unsere Söhne A. und M. zu je ½ sein. Die Nacherbfolge soll eintreten, beim Tode des Letztversterbenden.“ Nach dem Tod der Ehefrau heiratete der Ehemann neu und errichtete mit seiner zweiten Ehefrau zwei weitere gemeinsame Testamente. Im ersten der beiden Testamente setzten sich der Ehemann und seine zweite Ehefrau gegenseitig zu Alleinerben und die nach dem Ableben des Letztversterbenden die Tochter B zur Alleinerbin ein. Auch im letzten Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein. Zum Erben des Letztversterbenden setzten sie den A ein, soweit der Letztversterbende nichts anderes bestimmt hat. Nachdem der Ehemann verstorben war, beantragte die zweite Ehefrau einen Erbschein, der sie als Alleinerbin nach ihrem Ehemann ausweisen sollte. Der Erbschein wurde ihr sodann auch erteilt.
Ein Sohn des Ehemannes aus erster Ehe beantragte die Einziehung des Erbscheins wegen Unrichtigkeit. Er war der Ansicht, dass sich die Erbfolge nach dem Testament des Erblassers mit seiner ersten Ehefrau richte und danach die beiden Kinder Erben seien. Das Nachlassgericht lehnte die Einziehung des Erbscheins wegen Unrichtigkeit ab, weil der Erbeinsetzung der zweiten Ehefrau keine Bindungswirkung aus dem Testament mit der ersten Ehefrau entgegenstehe, da keine Bestimmung hinsichtlich des Nachlasses des Längerlebenden enthalten sei. Hiergegen legte der Sohn des Ehemannes Beschwerde ein.
Das Oberlandesgericht sah dies anders und wies das Nachlassgericht an, den zugunsten der zweiten Ehefrau erteilten Erbschein einzuziehen, da dieser unrichtig sei. Sie sei nicht Alleinerbin nach dem Erblasser. Ihrer Einsetzung als Alleinerbin stehe die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments des Erblassers mit seiner ersten Ehefrau entgegen. Bei der Auslegung eines jeden Testaments sei der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Der Wortlaut der Verfügung von Todes wegen sei dabei als erster Ansatzpunkt für die Auslegung relevant, wenn dieser auch nicht die Grenze der Auslegung bilde. Dabei sei insbesondere bei der Auslegung juristisch (scheinbar) eindeutiger Begriffe Vorsicht geboten. Soweit diese von Laien verwendet würden, könnten sie eine andere Bedeutung aufweisen als ihr juristischer Sinngehalt. Die gesetzlichen Auslegungsregeln zum klassischen Berliner Testament würden auch hier greifen. Wenn sich Ehegatten wechselseitig zu befreiten Vorerben einsetzen, enterben sie ihre als Nacherben vorgesehenen eigenen Kinder – anders als bei einem „klassischen“ Berliner Testament – zwar nicht, so das Gericht. In Hinblick auf die Befreiung von den Beschränkungen eines Vorerben hänge es gleichwohl maßgeblich vom Verhalten des überlebenden Ehegatten ab, ob und inwieweit die Nacherben vom Vermögen des Erstversterbenden noch profitieren werden. Wer die eigenen Kinder vermögensrechtlich absichern wolle, für den ersten eigenen Todesfall aber gleichwohl einen umfänglich befreiten Vorerben einsetze, tut dies – insoweit nicht anders als bei einem klassischen Berliner Testament – im Bewusstsein und Vertrauen darauf, dass wegen der Erbeinsetzung des anderen Ehegatten jedenfalls das zum Zeitpunkt des Ablebens des Letztversterbenden verbliebene gemeinsame Vermögen eines Tages auf die Kinder übergehen werde. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei davon auszugehen, dass der Erblasser und dessen vorverstorbene erste Ehefrau in ihrem gemeinschaftlichen Testament hinsichtlich des Vermögens des Erstversterbenden (befreite) Vor- und Nacherbschaft, hinsichtlich des Vermögens des Letztversterbenden die Einsetzung der gemeinsamen Kinder zu gleichberechtigten Vollerben angeordnet haben. Bei der Einsetzung der beiden Söhne als gleichberechtigte Erben nach dem Letztversterbenden handle es sich somit um eine wechselbezügliche Verfügung.
Da eine solche Wechselbezügliche Anordnung im Testament mit dem Tod des ersten Ehegatten bindend wird, konnten die später errichteten Testamente die Erbfolge insoweit nicht mehr wirksam abweichend regeln. Der erteilte Erbschein war somit falsch.
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