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Ausgabe: November 2024

 

Enterbung für den Fall der Eheschließung
Ein Mann verstarb und hinterließ zwei Kinder. In seinem Testament hatte er festgelegt, dass beide Kinder zu gleichen Teilen Erben sein sollen. Er bestimmte weiter, dass der eine Sohn, sollte er seine Lebensgefährtin heiraten, enterbt sein soll. Noch vor dem Tod des Vaters heiratete dieser Sohn seine Lebensgefährtin. Nach dem Versterben des Vaters stellte der andere Sohn einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn zum Alleinerben ausweist. Er war der Ansicht durch die Heirat des Bruders sei die Bedingung des Testaments eingetreten und er somit enterbt. Der Bruder trat dem entgegen und meinte, es handle sich dabei um eine sittenwidrige Bedingung. Das Nachlassgericht folgte dieser Argumentation und wies den Erbscheinsantrag zurück. Hiergegen legte der antragstellende Sohn Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht München hielt die Regelung im Testament jedoch nicht für sittenwidrig. Die Enterbung des Sohnes sei nicht sittenwidrig, sondern im Rahmen der Testierfreiheit hinzunehmen. Es sei zu berücksichtigen, dass der durch die Bedingung auf den Sohn einwirkende Druck von geringem Gewicht sei, da dieser nicht aus dem Testament selbst herrühre, sondern der Ankündigung des Erblassers entsprungen sei, ihn im Falle einer Hochzeit mit seiner Lebensgefährtin zu enterben. Hätte der Erblasser keine entsprechende testamentarische Verfügung getroffen, wären seine Äußerungen rechtlich ohne Relevanz gewesen. Hätte der Erblasser hingegen, wie hier, testiert, dies aber dem Sohn nicht mitgeteilt, wäre ausgeschlossen gewesen, dass die Klausel Druck auf ihn im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung ausgeübt hätte. Anknüpfungspunkt für die Sittenwidrigkeitsprüfung sei daher eine bloße Äußerung des Erblassers. Hinzu komme, dass der potenzielle Erbe in Fällen dieser Art in der Regel wisse, dass er durch „Wohlverhalten“ zwar etwas gewinnen könne, aber bei „Zuwiderhandlungen“ nichts verliere, da er auf eine über seinen Pflichtteil hinausgehende Beteiligung am Nachlass keinen Anspruch habe. Weil der Erblasser ein bereits errichtetes Testament bis zum Eintritt des Erbfalls jederzeit widerrufen könne, könne der Bedachte keine Gewissheit in Richtung einer Erbeinsetzung haben, auch dann nicht, wenn er sein Verhalten an den Wünschen des Erblassers ausrichte. Eine solche Bedingung sei deshalb allenfalls in geringem Maße geeignet, auf den Bedachten rechtlich erheblichen Druck auszuüben, der über denjenigen in alltäglichen Lebenssituationen hinausgehe.

Weiterhin spreche gegen die Annahme der Sittenwidrigkeit im konkreten Einzelfall auch, dass dem Sohn nicht nahezu jede Eheschließung untersagt worden sei, sondern dass der Erblasser lediglich den Einfluss einer bestimmten Person auf das von ihm erarbeitete Vermögen habe verhindern wollen, um auf diese Weise sein Lebenswerk zu sichern.

Selbst dann, wenn man davon ausgehen würde, dass die vom Erblasser im Testament aufgestellte Bedingung sittenwidrig und damit nichtig sei, wäre der Sohn nicht als Miterbe zu ½ neben seinem Bruder berufen, so das Oberlandesgericht. Die Rechtsfolgen sittenwidriger und damit nichtiger Bedingungen in Verfügungen von Todes wegen seien im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die Frage, ob eine sittenwidrige und damit nichtige Bedingung die Verfügung insgesamt unwirksam mache, sei im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung zu klären. Dem vorliegenden Testament lasse sich kein Wille des Erblassers entnehmen, an der Erbeinsetzung des Sohnes auch dann festzuhalten, wenn dieser die Bedingung (Eheschließung mit Lebensgefährtin) verwirkt. Vielmehr spreche der Umstand, dass der Erblasser die bedingte Erbeinsetzung an letzter und damit hervorgehobener Stelle des Testaments angeordnet habe und sie damit der am Anfang vorgenommenen Erbeinsetzung entgegensetze, dafür, dass es ihm besonders wichtig gewesen sei, den Sohn von der Erbfolge auszuschließen, falls dieser die vom Erblasser missbilligte Ehe eingehe.
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